Nachdem Gerry am Samstag den 10. April in der Früh bei Starbucks sein Doping (Foto) ausgeschlüft hatte, checkten wir ein und unser Swiss-Flieger hebt vom Zürich-Airport halb leer Richtung Paris ab.
Nach gut einer Stunde Flugzeit erreichen wir den Airport Charles de Gaulle. Nach der Landung kommt uns die Fahrt zum Dock beinahe länger vor als der Flug selbst.
In der Pariser Innenstadt angekommen checken wir an der 33, rue Cambon in unserem wirklich bezauberndem Hotel Castille ein, welches wir sehr empfehlen können. Sehr zentral gelegen, idyllisch, bezahlbar und vor allem ruhig. Tip: Nach einem Zimmer zum Innenhof fragen (z.B. jenes das wir hatten Nr. 202).
Nun geht’s zur EXPO wo wir unsere Startnummer abholen. Dort angekommen am Stadtrand der Pariser Innenstadt stellen wir fest, dass über 30’000 weitere Läufer das Gleiche vor haben und wir staunen nicht schlecht ab der einfach nur endlos scheinenden Menschenschlage. Zum Glück ist das Wetter prächtig und wir stehen anständig und geduldig hinten an und verpflegen uns mit Sandwiches der Boulangerie PAUL.
Die Startnummerausgabe klappt dann reibungslos und wir schlendern anschliessend durch die Gänge der Ausstellung. Bei der Pasta-Party hauen wir dann so richtig rein. Der Zeitpunkt ist perfekt um alles noch zu verdauen vor dem Start Morgen.
Zurück im Zentrum besuchen wir auf dem Place du Madeleine die Konditorei Fauchon, eine frühere Arbeitsstelle von mir. Damals war Fauchon die absolute Top-Adresse Europas. Er war Trendsetter und revolutionierte das süsse Metier wie kein anderer. Heute geniesst er immer noch einen hervorragenden Ruf, ist jedoch einer unter vielen geworden und stärker industrialisiert, respektiv man holt aus der Marke raus, was zu holen ist. Produkte mit dem Label FAUCHON findet man heute in diversen Warenhäusern. Fast ein Jahr lang arbeitete ich in Paris und schöne Erinnerungen werden wach. Hier weitere Top Konditoren in Paris, die sich zu besuchen lohnt:
La Durée, Champs Elysées 75, avenue des Champs Elysées - 75008 Paris
Herme 72, rue Bonaparte, 75006 Paris
Mulot 76, rue de Seine, 75006 Paris
Lenôtre 48, Avenue Victor Hugo, 75016 Paris
Fauchen 24-26 place de la Madeleine, 75008 Paris
Im Quartier Latin (im latinischen Viertel) nahe der Notre Dame, wo vor allem die bevorzugte Wohnadresse von Studenten ist, geniessen wir unser Nachtessen mit zwei weiteren „Ladungen“ Spaghettis bevor wir uns via Metro ins Hotel zurückziehen. Die Nervosität steigt langsam und der Count Down läuft, noch 12 Stunden bis zum Startschuss.
Gerry und Sonja haben das Zimmer gleich gegenüber und wir machen jetzt unser obligates „mise en place“ für den grossen Tag Morgen und bereiten alles minuziös vor. Prompt fehlen die Sicherheitsnadeln für die Startnummer. Eine nette Hotelangestellte kann uns aber dieses Problem lösen und bringt uns je 4 Stück aufs Zimmer. Ein ruhiger Schlaf ist gerettet.
Unsere treuen Begleiterinnen und grössten Fans, meine Frau Piera und Gerry’s Frau Sonja, kommen mit uns zum Start. Vom Hotel ist jener zwar nur 2 km entfernt, aber wir wollen unsere Kräfte schonen und so nehmen wir die Metro vom Place de la Concorde. Als wir beim Arc de Triomphe aus der U-Bahn kommen ist der grösste Kreisen den ich kenne autofrei und tausende von Läufern aus allen Nationen irren förmlich umher. Eine grosse Nervosität und einmalig positive Stimmung liegt in der Luft. Da die Toilettenboxen scheinbar vergessen wurden müssen die umliegenden Gebüsche der Villen hinhalten, hier der Beweis.
Wir begeben uns jetzt zu den Startblöcken. Es ist das 1. Mal an einem Marathon, wo die Kontrolle der Startblöcke strickte kontrolliert wird und dadurch trennen sich die Wege von Gerry und mir bereits, da er bei der Anmeldung die Endzeit von 3:30 angab und ich 3:15. Bewusst wollte ein bisschen weiter vorne starten, denn vom Berlin Marathon bin ich gebranntes Kind. Nach dem Startschuss kam ich nicht vom Fleck, respektive konnte mein Tempo nicht rennen wegen den Massen von Läufern. Zudem wurde man geschubst und getreten, nicht ungefährlich.
Was ich auch hier weit und breit vermisse sind die Toilettenboxen. Als wir gestern noch durch die Champs Elisées schlenderten staunte ich, als ich wirklich keinen Abfalleimer fand auf der Allée. Aber auch kein Papier auf dem Boden, trotz tausenden von Passanten. Heute ist es aber anders. Alle tranken viel und müssen noch mal, vielleicht vor Aufregung oder weil es auf die Blase drückt. Die Büsche sind jetzt auch nicht mehr um die Ecken und die Läufer sind bereits dicht gedrängt. Es kommt, wie es kommen muss.
Bei Gerry im Block legen einige Männer einen Pullover auf den Boden und pinkeln im Kreis darauf, so dass es auf dem Pflasterstein nicht gleich alle Beine voll spritzt. Die Frauen müssen schon kreativer sein, sie nutzten die Plastikpelerine die vor der Kälte schützt und gehen damit in die Knie. Nur eine hat es nicht so gut im Griff und bei ihr spritzt es auf alle Seiten. Auf Fotos verzichtete ich! Alle andere warten sehnsüchtig auf den Startschuss, welcher um Punkt 08.45 Uhr auch erfolgt. Ich komme sehr gut weg, trotz der enormen Läuferanzahl. Flott geht es die Champs Elisée runter Richtung Place de la Concorde, und auf der rue de Rivoli am Musée de Louvre vorbei. Meine Kilometerzeit pendelt sich sehr gut ein bei 4:24 Minuten und ich fühlte mich gut.
Jetzt kurz vor dem Place de la Bastille nach 5 Kilometer kommt die erste Trinkstation. Das erste Mal finde ich an einem Marathon keine Becher vor, sondern es liegen Halbliter Petflaschen auf. Wer trinkt schon einen halben Liter bei 8°C Aussentemerapatur und dies nach 5km? Auch hier kommt es, wie es kommen muss. Kurz nach der Station fliegen die halb vollen Flaschen massenweise herum teilweise über Läufer und Zuschauer was nur gefährlich ist. Ich staune nicht schlecht und halte mich jetzt eher im Zentrum der Strasse auf um nicht noch abgeschossen zu werden. Zudem schaue ich jetzt gut auf die Strasse, dass ich mich nicht noch an einer Flasche die auf dem Boden liegt vertrete.
Unsere Frauen, die uns mit der Metro „verfolgen“, feuern mich auf der Place de la Bastille an. Dies gibt Auftrieb, Freude und „Hühnerhaut“. Mit meinem rosa Bachmann-Shirt falle ich sehr gut auf, vor allem als Mann. Ohne dass Sie uns zurufen hätte ich aber keine Chance sie zu sehen. Die vielen Zuschauer am Strassenrand, aber auch die Läufermenge ist schon faszinierend und ich merke auch, dass mit den über 30’000 Teilnehmern die Durchführung an seine Grenzen kommt.
Im Bois de Vincennes springen wir am beeindruckenden gleichnamigen Chateau vorbei und machen den grossen Bogen. Jetzt geht’s zurück Richtung Eiffelturm.
Ich bin gut im Schuss und mit einer Halbmarathonzeit von 1:36 rechne ich noch damit um die 3:15 einlaufen zu können. Dies nicht zuletzt, da ich das 3:15er Pacemaker-Team immer um mich herum habe.
Jetzt haben wir die Seine auf der linken Seite und springen an der Notre Dame vorbei. Die Sonne strahlt und die kühlen Temperaturen sind eigentlich perfekt. Es läuft gut und jetzt bei Kilometer 28 ist das Wahrzeichen von Paris, der Eiffelturm, zum greifen nah. Ich spüre jetzt, dass mich das 3:15er-Team langsam aber sicher verläst, respektive, dass ich nicht mehr so einfach folgen kann und meine Kräfte nachlassen.
Nach dem Lucerne Marathon Ende Oktober 2009 [[LINK setzen]] rührte ich meine Turnschuhe nicht mehr an bis im Februar. Danach musste ich ziemlich unten wieder anfangen und spüre, dass das Training nicht ausreicht für eine Zeit unter 3:15. Dazu kommt, dass ich zum letzten Oktober noch zwei Kilogramm mehr um die Hüften habe.
Man weiss zwar nie genau, wie es rauskommt, aber ich machte mir was die Zeit angeht auch nicht zu viele Hoffnungen. Ziel ist klar, den Paris Marathon zu erleben und zu geniessen. Mit einer mehr oder weniger konstanten Kilometerzeit von 5 Minuten oder 12 km/h renne ich weiter. Mir wird einmal mehr bewusst, dass der Marathon in der zweiten Hälfte "verloren" oder "gewonnen" wird. Die ersten 21 Kilometer sind reine Kür.
Die Sonne steht hoch und die Temperaturen steigen leicht an. Wasser gibt es zum Glück ja alle 5 Kilometer in guten Mengen. Was ich hier auch das erste Mal sehe bei den Verpflegungsstationen an einem Marathon waren reine Würfelzucker und Sultaninen. Interessant! Ich bleibe jedoch bei den Bananen.
Die Trinkstationen sind jeweils sehr lang und gut markiert, aber leider immer nur auf einer Strassenseite. Beim ergattern einer Flasche Wasser wird man automatisch geschubst. Ich bin jedes Mal froh, heil aus dem Chaos zu kommen.
Auf der Zielgeraden läuft Gerry ein paar Sekunden hinter mir ein, ohne dass wir uns sahen. Auf der kurzen Sequenz des Zieleinlauffilms oben sind wir dann beide darauf. Unglaublicher Zufall! Da er den Start drei Minuten später Durchschritt war er in der Nettozeit zwei Minuten schneller als ich. So treffen wir uns im Zielgelände und umarmen uns nur noch. „It's done, one more time!“ Wir wollen jetzt unsere Frauen in die Arme schiessen, was gar nicht so einfach ist, denn die Freunde und Bekannten der Läufer blockieren wörtlich den einzigen Ausgang aus der Zielzone. Wir mussten uns richtig „rauskäpfem“.
Im Hotelzimmer zurück nimmt Gerry dann das belgische LEFFE Bier hervor, welches im Kühlschrank schon auf uns wartete, und wir prosten alle vier auf den gelungen und erfolgreichen Lauf an.
Jetzt gehen wir zum Sacré Coeur wo wir einen Fussballverrückten jonglierend auf einer Laterne bewundern, Sachen gibt’s! Später besuchen wir dann wiederum im 5. Arrondissement im Quartier Latin ein schönes französisches Restaurant und geniessen unter anderem eine echte französiche Zwiebelsuppe.
Es war einmal mehr ein unvergessliches, einmaliges und geniales Erlebnis und ein fantastisches Weekend.
Wir freuen uns jetzt schon auf das nächste Abendteuer, es ist einiges im Gespräch, wohin es uns auch schlagen wird, wir sind uns alle einig, „the show must go on" :-).