Mehr als ein Rennen: Dies ist auch der offizielle Slogan des Veranstalters Swissalpine. Es waren die ersten Wochen im neuen Jahr 2011 als ich mich für den 78 Kilometer lagen Ultramalrathon der über 2'370 Höhenmeter durch das alpine Hochgebirge führt anmeldete.
Berühmt berüchtigt als K78 – diese etwas kryptische Bezeichnung steht für den weltgrössten Bergultralauf. Vielleicht war es an jenem Abend einfach Grössenwahn, rationale Gründe können es nicht gewesen sein, denn noch nie war ich länger als eine Marathondistanz (42KM) einem Stück gesprungen. Zwar habe ich schon 18 Marathonrennen in den Beinen, wäre aber nach keinem Zieleinlauf noch freiwillig weiter gejoggt, respektive es war schlicht unmöglich so erschöpft war ich jedes Mal.
Empfohlen wird der K78 vor allem für erfahrene und gut trainierte Bergläufer. Er ist nicht nur wegen seiner Länge und der zu bewältigen Höhenunterschiede ein wahrer Ultralauf, sondern er erfordert auch technische Fähigkeiten. Es sind einige Passagen die über Stein- und Felsbocken führen so viele kleine Bergbäche sind zu überqueren. Gute Trittsicherheit ist auf den teils nassen Steinen gefordert. Beim geniessen des Panoramas oder bei einer kleinen Konzentrationsschwäche kann man leicht abrutschen und stürzen. Besonders anspruchsvoll sind die Bergpassagen von der Passhöhe runter ab Kilometer 60. Die Laufstrecke des K78 ist aber nicht nur als anspruchsvolle Stecke bekannt, sie soll vor allem ausgesprochen schön und abwechslungsreich sein.
Die Route des K78 führte die letzten Jahre immer über den Scalettapass und dem bekannten Panoramatrail. Dieser Trail erfordert jedoch gute Wetterbedingungen. Die Strecke über den Sertigpass ist eine Ausweichstrecke, respektive Schlechtwettervariante. Zur Überprüfung beziehungsweise Optimierung der Organisation hat das OK beschlossen, im Jahr 2011 die Sertigvariante als Test zu fahren, unabhängig vom Wetter. Dieses Profil hat zusätzlich 100 Höhenmeter und ein Kilometer mehr als die Standartroute (also genau genommen 79 Kilometer). Somit wird ein Durchschnittsläufer für die Sertigvariante ca. 30 Minuten mehr Zeit beanspruchen. Hier der Profilvergleich.
Kein Wunder folgten nach der Anmeldung unzählige Träume bis hin zu Alpträumen. Ich schlief mit den Gedanken an den Lauf ein und erwachte damit, suchend nach dem „Rezept“ diese 79 Kilometer irgendwie an einem Stück zu meistern. Die Monate bis Ende Juli brauchte ich um mich physisch, aber vor allem psychisch vorzubereiten. Mir war bewusst, dass es in erster Linie eine reine Kopfsache ist und erinnerte mich an Henry Fords Worte: “Ob Sie glauben, dass Sie es schaffen können oder ob Sie glauben, dass Sie es nicht schaffen können, Sie werden wahrscheinlich Recht behalten.
Es braucht eine Taktik, ein Plan und eine Portion Optimismus, denn ich werde grundsätzlich kaum 50 bis 60 Kilometer lange Trainingsläufe absolvieren können. Es war ein Prozess mit fortan dem klaren Ziel vor Augen, am 30. Juli 2011 diese Strecke an einem Riemen durchzubringen, wie auch immer. Dies galt es rauszufinden. Der Mix zwischen Vorfreude, Respekt und dem Ungewissen machte es umso spannender. Ich hatte nicht die Zeit mehr als für einen normalen Marathon zu trainieren, die Strecke war jetzt einfach doppelt so lang! Die konsequenten Trainingseinheiten und Literatur halfen mir, sowie die geglückte Generalprobe des Graubünden Marathon fünf Wochen zuvor war ein wichtiges Schlüsselerlebnis. >Bericht [[LINK Graubünden 11]]
Der Kälteeinbruch im Juli und die Wetterprognosen auf den grossen Tag am 30. Juli waren alles andere als erfreulich. Als wir in Davos einfuhren fanden wir mitten im Sommer Schneehaufen auf dem Trottoir vor. Ich dachte zuerst, das Eis sei von einem Tiefkühler eines Restaurants, welcher vereist war. Nach dem 2. und 3. Haufen zweifelte ich daran. Hat es doch tatsächlich geschneit mitten im Sommer! So machte ich mir doch noch ein paar Gedanken über die Bekleidung, denn wir werden uns Morgen um diese Zeit verschwitzt und erschöpft auf 2632 m.ü.M. bewegen.
Mein Lauffreund Gerry und Sonja waren bereits im neuen und modernen Kongresszentrum Davos als wir eintrafen um dort die Startnummer abzuholen. Dies ist bereits ein emotionaler Moment.
Beeindruckt von der tollen Ausstellung schlenderten wir durch die Stände und informieren uns über die neusten Trends in der Laufszene. Auch Markus und Carolyn mit Amanda trafen kurze Zeit später ein und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Hotel Ducan in Monstein. Die Fahrt dorthin dauerte gut 15 Minuten. Monstein, ein wahrer "place to be", wir waren schlicht überrascht. Ein 200 Seelendorf mit einer faszinierenden Geschichte, eigener Brauerei und zwei Restaurants. Man sagt Monstein nach, es sei die Davoser "Sonnenterasse". Hier erfährt man mehr.
Der Swissalpine bietet verschiedene Laufstrecken an wie K78, K42, C42, K30, K21, K10, Walk und Mini. Total werden Morgen 5'000 rennbegeisterte Läufer mobilisiert. Der perfekten Organisation ist es zu verdanken, dass nicht das Chaos ausbricht.
Gerry und ich starten um 07:00 Uhr in Davos. Sonja fährt uns 06:00 Uhr runter ins Sportzenturm respektive Startgelände. Markus hat sich für den K21 eingeschrieben, muss aber wegen einer Erkältung auf den Start verzichten. Ein klein bisschen ein mulmiges Gefühl haben wir schon im Bauch, und hauen nochmals eine letzte Portion Kohlenhydrate rein, bevor wir uns in die schmucken Zimmer verziehen. Jetzt Morgen früh nur nicht verschlafen.
Zwei Minuten bevor meine Wecker seine Dienste erweisen sollten erwachte ich. Gerry braucht am Morgen vor dem Rennen jeweils seinen schwarzen Kaffee und ich eine Banane und Honigbrötchen. Für uns und eine weitere Läuferin im Hotel wird extra und geschätzter weise das Restaurant früher geöffnet. Der Himmel ist stahlblau, der Tag erwacht langsam und rechtszeitig erreichen wir Davos. Dort herrschte ein reges Treiben und es ist richtig kalt. Wir geben unsere Ersatzkleider auf, welche bei KM 40 in Bergün für uns bereitgehalten werden.
Ein letzter Toilettengang, eine kurze Aufwärmphase im Restaurant und wir bewegen uns schlotternd auf die Startbahn. Der Adrenalinspiegel steigt an. Wir hoffen in gut 10 Stunden hier die Zielline zu durchlaufen. Der Song "Conquest of Paradise" powert von den Boxen, wir schauen uns ungewiss an und wissen jetzt gibt’s kein zurück mehr. Der Helikopter kreist bereits über dem Gelände und der Startschuss fällt um Punkt 07:00 Uhr.
Gerry und ich stehen bewusst hinten ein. Der 1. taktische Gedanke. Dafür vergehen gut drei Minuten, bis wir die Startlinie passieren können, denn es sind doch 2'000 Läufer am Start. Wir beginnen ganz gemächlich und bewegen uns mit dem Läuferfeld mit. Die Kälte drückt auf unsere Blasen und bereits nach einem Kilometer suchen wir die Büsche auf. Einige Mitläuferinnen beneiden uns, denn für sie ist dies schon schwieriger. Es fallen ein paar Sprüche.
Zuerst führt die Strecke vom Sportzentrum in einer Schleife durch Davos. Am Bahnhof Davos Platz erblicken wir bereits die Tafel KM 5. Kurz danach bereits die 2. Blasenleerung! Dies ist mir noch nie passiert bei einem Marathon. Normal sind dies wichtige Sekunden, aber heute haben wir das Ziel als Ziel und nicht die Laufzeit. Weiter geht's. Unsere Körper kommen jetzt langsam in den Dauerlauf und erwärmen sich. Wir halten unser abgesprochenes 11km/h Tempo konstant ein (5:30 pro KM). Taktik 2. Irgendwie müssen wir uns in Bergün bei KM 40 besser fühlen als nach all den Marathons welche wir bereits bestritten. Ansonsten werden wir den Steckenaufstieg ins Hochgebirge nicht angehen können. Die erste Hälfte der Strecke ist meines Erachtens die Entscheidende für den erfolgreichen Verlauf. Jene wollen wir mit Köpfchen laufen, auch wenn unsere Beine mehr „Saft“ haben. Wären wir im vorderen Läuferfeld, würde es uns mit Sicherheit mitziehen.
Bei KM 11 erfolgt der 1. Anstieg rauf zu Spina, welcher wir noch locker anpacken. Danach folgt ein kurzer Abstieg und jetzt geht’s rauf auf 1700 m.ü.M. Die ersten 200 Höhenmeter sind geschafft und wir erreichen Rotschtobel. Die Steckenabschnitte im Wald sind jeweils relativ eng für gerade mal zwei Läufer nebeneinander, aber es klappt eigentlich ganz gut mit Passieren. Jetzt erblicken wir die Kirche von Monstein und es geht leicht abwärts ins kleine Bergdörfchen, wo unsere Liebsten uns erwarten. Wir freuen uns auf diesen Moment und gönnen uns für Fotos eine kleine Pause.
Weiter geht’s der Strasse abwärts ins Tal, welche dann in die Zügenschlucht führt. Die Durchquerung dieser Schlucht ist ein besonderer „Leckerbissen“ und einer der schönsten Streckenabschnitte, die ich je gelaufen bin. Einfach beeindruckend! Die touristische Bahnlinie läuft sozusagen parallel zu uns und verschwindet immer wieder in Tunnels. Auch wir durchlaufen einige Tunnels, überqueren Brücken und haben tolle Tiefblicke hinab ins Tal.
Der Untergrund ist wechselnd, viele Teile der Strecke führen durch Wald. Es geht insgesamt 870 m abwärts von Davos nach Filisur (1'032m.ü.M.). Es sind aber auch 470 m Steigung zu bewältigen. Gerry und ich geniessen es. Inzwischen sind wir auch in einem Läuferumfeld, dass sich mit uns bewegt und man unterhält sich untereinander.
Durch den Wald hören wir von weitem den Speaker der Bahnstation Wiesen. Eine Haltestelle sozusagen in der Mitte einer Schlucht, da wo man sie zuletzt erwartet. Viele Schaulustige applaudieren uns zu. Die Läufer werden beim Durchlaufen beim Namen genannt. Hier ist was los. Am ersehnten und geschätzten Verpflegungsposten stärken wir uns. Die Getränkeauswahl und Snacks von Bananen, Powerriegel bis hin zu Gels ist jedes Mal respektive ca. alle 5 Kilometer eine Augenweide. Ein paar hundert Meter weiter passieren wir die Wiesner Viadukt-Brücke, der Höhepunkt der Stecke. Sie ist über 100 Jahr alt 88 Meter hoch und 204 Meter lang. Die Läufer halten sich alle schön rechts und fern vom Brückengeländer. Ein Fotograf hält jeden Läufer fest mit einem Foto, auch uns, SMILE.
Nach 2 Stunden und 51 Minuten (Zwischenrang 483 von 1'400 K78-Läufern) erreichen wir Filisur (bei Kilometer 30) wo die Läufer mit der grünen Startnummern und der Kategorie K30 jetzt ihren ersehnten Zieleinlauf feiern können. Dies ist zugleich der tiefste Punkt unserer Strecke. Von hier aus geht’s nur noch bergauf, durchs Albulatal, über Bellaluna nach Bergün (1'365 m.ü.M.). Es sind etwas über 400 Höhenmeter zu bewältigen. Gerry und ich halten unseren Rhythmus bei. Mein Körper beginnt jetzt aber die ersten kleinen Zeichen der Ermüdung zu melden. Hie und da humpeln die ersten Läufer oder wirken bereits sehr erschöpft. Sie müssen wohl in Bergün aufgeben.
Nach 4 Stunden und 8 Minuten erreichen wir die Hälfte der Strecke in Bergün bei KM 40 und Zwischenrang 361, wir haben somit auf den letzten 10 Kilometer 122 Läufer überholt. Hier müssen wir entscheiden, ob wir weiter rennen wollen, respektive können. Danach gibt es kein Zurück mehr. Es geht aufwärts auf knapp 2'739 m.ü.M. ins alpine Hochgebirge. Es hat weder eine Strasse noch eine Seilbahn die uns da oben dann rausholen würde. Wir fühlen uns gut. Hier sind auch unser Ersatzkleider deponiert. Da es nicht regnete brauche ich nichts zu wechseln. Gerry schnappt sich die Gelegenheit. Unsere Frauen sollten uns nach Bergün nachreisen. Ich entscheide bei Ihnen auf Gerry zu warten und gehe mal alleine weiter auf die Suche. Beim Verpflegungstand schnappte ich mir noch zwei von diesen Rosinenbrötchen, welche mein Sohn mit Sicherheit liebt. Im Dorfkern wird man bereits als Held bejubelt. Ein unbeschreibliches Gefühl und ich halte Ausschau nach unseren Liebsten. Gar nicht so einfach, bei dieser Menschenmenge. Am Ende des Dorfes habe ich sie entweder verpasst oder sie schafften es zeitlich nicht.
Die nächsten gut 14 Kilometer geht es 1'300 Höhenmeter konstant bergauf bis zur Kesch-Hütte SAC. So mache ich mich alleine auf diesen Weg. Die Heufliegen lieben die Farbe meines rosaroten Shirts und klebten mir am Rücken. Blinde Passagiere! Das Gewicht ist aber erträglich und lieber am Rücken statt im Gesicht. Was mich aber verwundert, wie viele Läufer Rucksäcke tragen. Dies ist zwar sehr vernünftig und vorbildlich, was die Kleidung angeht, aber viele schleppen literweise Getränke mit! Meiner Meinung nach mit den vielen und perfekt organisierten Verpflegungsposten reiner Ballast. Verdursten würde man kaum. Je höher ich dem 1. Gipfel der Strecke auf 2'632 m.ü.M. nähere, je kälter wird es und vor allem drückt der Nebel runter. DerHimmel ist zunehmend bedeckt. Es ist nicht mehr weit, die Kesch-Hütte naht! Geschafft, nach 6 Stunden und 16 Minuten mit dem 286. Zwischenrang (75 Ränge verbessert im Aufstieg). Gleichzeit beginnt es zu regnen. Ich kann mich an diesem magischen Fleck nicht lange aufhalten, denn der Körper würde sich schnell und zu stark abkühlen.
Der Regen pfeift mir um die Ohren und ich gehe weiter hinab Richtung Sertigtal auf einem schwierigen nassen Steinpfad mit Pfützen überall. Jetzt gilt Vorsicht und Konzentration, denn man hat sofort nasse Schuhe oder liegt flach zwischen den spitzigen und scharfen Steinen. Die Schwierigkeit ist vor allem mit meinen Strassenschuhen auf den nassen Steinen tritt zu finden und gleichzeitig den Pfützen auszuweichen. Ein nasser Schuh wäre für die verbleibenden 30 KM sehr ärgerlich und störend. Dass bei meinen Laufschuhen nicht nur das Profil fehlt für diese Art von Pfad, sondern auch das Wasser sofort eindringt merkte ich dann aber schnell. Ein paar Mal stolpere ich, kann mich aber zum Glück immer noch fangen. Ein kleiner Schutzengel begleitet mich, denke ich jeweils. Jetzt treffe ich auf unsere Luzerner Freude Andrea und Birdy, welche den K78 schon zum dritten Mal bezwingen. Ein gutes Gefühl nicht alleine zu sein hier oben im „nowhere“. Wir umarmen uns kurz.
Jetzt geht es wieder stark bergauf zum höchsten Punkt der Strecke, dem Sertigpass auf 2'739 m.ü.M. Bei den idyllischen und bekannten Ravais-Seen dachte ich schon, wir hätten die Höhe erreicht und dies wäre der Sertigpass. Rechts am Horizont weit oben Erblicke ich dann kleine orange Punkte. Ufff, tatsächlich müssen wir noch da hoch. Dieser Aufstieg ist ein wahrer Kraftakt und eine Grenzerfahrung. Es ist sehr steil und der Regen macht es nicht einfacher. Es gibt nur eine Richtung, ich muss da hoch! Die Temperaturen sind jetzt gegen 5°C und meine Windjacke klebt vor Nässe an der Haut. Meine Hände spüre ich kaum noch und kann damit den Reissverschluss kaum einfädeln.
Oben angekommen wartet doch tatsächlich ein Getränkeposten auf uns!. Herrlich, ich staune nicht schlecht. Jener muss mit dem Helikopter hochgebracht worden sein. Und sämtliche Getränke waren erst noch warm :-) Später vernahm ich, dass bei der Keschhütte inzwischen niemand mehr durchgelassen wurde. Einige Läufer mussten umkehren. Eigentlich verständlich bei diesem Wetter und Bedingungen.
Beim Abstieg wird mir die Gefahr umso mehr bewusst. Jetzt geht’s "down hill" im wahrsten Sinne des Wortes. Die Oberschenkel müssen einiges aushalten, denn das „bremsen“ auf den nassen Steinen mit den Bächen ist alles andere als einfach. Der Weg ist sehr eng und nicht alle Läufer haben das gleiche Tempo drauf. So muss man nicht nur wissen was vor einem kommt, sondern auch hinter einem im „Anflug“ ist. Dies ist oft noch gefährlicher!
Je tiefer wir ins Tal kommen, je mehr steigt die Temperatur wieder an und der Regen lässt auch langsam nach. Bei KM 65 erreichen wir Sertig-Dörfli. Es geht über Stock und Stein, aber immer schön abwärts. Meine Oberschenkel melden die Strapazen mit einem Stechen an. Jeder Schritt wird zur Qual und es werden noch Tausende sein bis ins Ziel. Ich bin jedoch nicht der Einzige, alle leiden irgendwie und beissen sich inzwischen durch. Der grösste Teil ist geschafft. Für die restlichen 14 KM brauche ich aber noch einiges über eine Stunde. Es ist nun eine reine Kopfsache, man muss den Körper irgendwie motivieren und überlisten. Fritz Kohler, ein Luzerner Läufer haut mich spontan an. Er ist ein ehemaliger Arbeitskollege meiner Frau und erkennt mich als Luzerner am Dress. Wir unterhalten uns ein bisschen. Dies hilft und man vergisst die Schmerzen, wenn auch nur für ein paar Sekunden.
Der letzte Streckenabschnitt durch den Mattawald auf der Talanhöhe ist traumhaft. Es geht immer leicht rauf und ein bisschen mehr runter Richtung Davos. Im Kopf habe ich inzwischen nur noch den lang ersehnten Zieleinlauf. Bei KM 77 kommen wir jetzt auf Davos runter und es zieht mich förmlich ins Ziel. Ich bekomme einen „Tunnelblick“, Hühnerhaut und kann nochmals ein paar Läufer überholen. Vor allem will ich ich sicher sein, dass ich vor meinem ersehnten Zieleinlauf freie Sicht habe um es richtig auskosten zu können. Dies ist es, der Augenblick der Augenblicke meiner sportlichen Ziele. Die Gefühle überwältigen mich derart, dass ich im gleichen Moment spüre, dass meine Lungen zu machen. Jetzt nur nicht noch Umfallen kurz vor der Zielline. Ich wäre nicht der Erste, dem das passiert. Zum Glück kann ich mich fassen. Es sind die Emotionen, die einem einfach überwältigen können. Ich laufe ein und meine Augen werden feucht. GESCHAFFT, nach 9 Stunden und 39 Minuten (Rang 247 von Total 1'400 Läufer dieser Kategorie).
Wie ich es geschafft habe, ist mir heute nicht mehr klar, denn eigentlich unmenschlich. Ich sagte mir im Ziel gleich, das war es, einmal musst du das erlebt haben. Einmal und nie wieder. Aber schon nach 24 Stunden merkte ich, dass es süchtig macht und ich denke es war eventuell doch nicht mein erster und letzter K78. Vor allem reizt mich die etwas schnellere Scaletta-Route mit dem Panoramatrail. Auch Andrea, Bridy und Gerry treffen gesund und überglücklich im Ziel ein.
In Montein im Restaurant Veltlinerstübli lassen wir uns dann kulinarisch so richtig verwöhnen und das Monsteiner-Bier durfte natürlich nicht fehlen. Am anderen Morgen machen wir noch einen Zwischenstopp bei Lenzerheide am Heidsee, bevor es wieder zurück nach Luzern geht.
Beim Blick vom Heidsee auf das Parpaner Rothorn werden Erinnerungen wach.
Also, bis zum nächsten Mal, dran bleiben, hasta luego! Matthias